161 Kilometer gegen das Vergessen

(13.08.2016)  Ariel Rozenfeld ist bereits rund 13 Stunden und 139 Kilometer gelaufen, als er am ehemaligen Grenzturm in Berfelde eintrifft. Konzentriert, aber fit, gelassen und freundlich begegnet er den Helfern, nimmt einige Salztabletten und trinkt etwas. Nadine Weiß von der Deutschen Waldjugend gießt ihm zur Erfrischung eine Kanne Wasser über den Kopf. Ein netter Gruß, weiter geht's.

Zweieinhalb Stunden später wird der Israeli als Gesamtsieger durch das Ziel im Berliner Jahn-Sportpark laufen - in einer Zeit von 15 Stunden, 20 Minuten und 48 Sekunden. Als Zweiter wird wenige Minuten später der Schwede Ivan Bretan und als Dritter mit einer Zeit von 16:12:41 Stunden der Japaner Minoru Onozuka ins Ziel kommen. Eine knappe halbe Stunde später erreicht als bester deutscher Starter Matthias Vettermann den vierten Platz. In 17 Stunden, 3 Minuten und 32 Sekunden schafft die Australierin Tia Jones den Zieleinlauf als schnellste Frau. Ihre letzten Mitstreiter werden gegen Mittag des darauffolgenden Tages dort eintreffen.

Mehr als 700 Menschen, davon 350 Einzelläufer und rund 100 Staffeln, die aus 2 bis zu 27 zusätzlichen Läufern bestanden, hatten sich auf den 161 Kilometer langen Rundkurs entlang des Mauerweges rund um Westberlin gemacht. Ihr Ziel ist viel mehr als das, eine sehr lange Wegstrecke zu bewältigen: Sie wollen die Erinnerung an die bisher bekannten 138 Opfer wachhalten, die zwischen 1961 und 1989 an der innerdeutschen Berlin-Grenze ums Leben gekommen sind. Der diesjährige Lauf stand im Gedenken an Karl-Heinz Kube, der 1966 in Kleinmachnow erschossen wurde, als er über die Mauer nach Westberlin zu fliehen versuchte. Im vergangenen Jahr erinnerte der Lauf an Marienetta Jirkowky, die im November 1980 bei einem Fluchtversuch im Hohen Neuendorfer Grenzgebiet angeschossen wurde und wenig später ihren Verletzungen erlag. Parallel zum Mauerlauf gedachte die Stadt Hohen Neuendorf auch ihrer sowie der drei anderen Maueropfer auf Hohen Neuendorfer Gebiet, Joachim Mehr, Willi Born und Rolf-Dieter Kabelitz.

Mitinitiator, ehemaliger Läufer, Organisator, Sprecher und Enthusiast Alexander von Ueniecki bedankt sich vor allem bei den zahllosen Helfern, die auch an diesem 5. Mauerweglauf an den rund 30 Versorgungspunkten und im Begleitteam zum Teil rund um die Uhr für die Sicherheit und Gesundheit der Läuferinnen und Läufer sorgten, Getränke, Obst und Snacks reichten. "Ich wünsche mir, dass die Menschen sich auch in Zukunft in dieser Form aktiv an Erinnerungskultur beteiligen und es nicht beim Kranz ablegen bleibt. Durch diesen Lauf werden Schicksale lebendig in Erinnerung gehalten und Menschen tauschen sich darüber aus", wirbt er schon jetzt um Freiwillige für das kommende Jahr. Gerade junge Menschen finden über die Begeisterung des Sports und des gemeinsamen Tuns so einen Zugang zu einem Stück Geschichte, das ihnen ansonsten vermutlich akademisch fremd bleiben würde.