Hohen Neuendorf nimmt Asylbewerber auf

(30.07.2015)  Am 25. Juni informierte der Landrat in einer Pressekonferenz über die Fortschreibung der Unterbringungskonzeption für Asylbewerber im Landkreis Oberhavel in diesem und im nächsten Jahr. Dabei benannte er konkrete weitere Standorte und Pläne, über die unmittelbar zuvor auch die Bürgermeister und Amtsdirektoren unterrichtet wurden.

Landkreis zuständig für Unterbringung

So muss der Landkreis Oberhavel nach Stand Ende Juni in diesem Jahr 1.085 Personen aufnehmen, im Jahr 2016 nach derzeitiger Prognose weitere 1.500 Asylbewerber. Der Landkreis möchte diese Menschen möglichst gleichberechtigt auf die Kommunen des Kreises verteilen. Neben der Nutzung von eigenen Immobilien ist der Landkreis dabei auf die Bereitstellung zusätzlicher Liegenschaften durch Städte und Gemeinden angewiesen. Die Fortschreibung des Konzeptes sieht vor, dass noch in diesem Jahr Unterkünfte für 80 Asylbewerber in Birkenwerder, Kapazitäten für weitere 282 Asylbewerber in Oranienburg und für weitere 78 Asylbewerber in Zehdenick entstehen sollen.

Ausblick auf Planungen 2016

Für 2016 sehen die gegenwärtigen Planungen vor, in Hennigsdorf ein sechstes Gebäude in der Gemeinschaftsunterkunft Stolpe-Süd mit 156 Plätzen und in Oranienburg eine Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 240 Asylbewerber in der André-Pican-Straße in Betrieb zu nehmen. In Hohen Neuendorf soll zu Februar 2016 im Stadtteil Borgsdorf, in der Margeritenstraße 3, eine Gemeinschaftsunterkunft mit einer Kapazität von 240 Plätzen entstehen. In Oberkrämer/Bärenklau ist eine Erweiterung der bisherigen 189 Plätze um weitere 120 Plätze ab April 2016 beabsichtigt. In jedem Fall möchte der Landkreis eine Unterbringung in Übergangs- oder Notunterkünften wie Sporthallen, Hotels oder gar Zelten vermeiden.

Verteilungsschlüssel

Die dezentrale Verteilung der Asylsuchenden soll sich an den Einwohnerzahlen der einzelnen Kommunen orientieren. In Hennigsdorf, wo mit Abstand die meisten Asylbewerber leben, liegt der Anteil gemessen an der Einwohnerzahl bei rund 3,22 Prozent. Dieser Prozentsatz soll nach Maßgabe des Landkreises in Beratung mit den Kommunen für die Verteilung der Asylbewerber auf die einzelnen Kommunen zu Grunde gelegt werden.

Kommune zuständig für Integration

Während der Landkreis für die Unterbringung der Flüchtlinge und die Beschulung ihrer schulpflichtigen Kinder zuständig ist, ist es Aufgabe der Kommunen und der Menschen vor Ort, sich um Integration und eine friedliche Koexistenz von Einwohnern und Asylsuchenden zu kümmern. Auch hierfür gewährt der Kreis eine zusätzliche finanzielle Unterstützung in Höhe von 50 Euro pro Flüchtling und Jahr, sofern die Kommune einen Betrag in gleicher Höhe bereitstellt. Ziel der Förderrichtlinie ist es, Angebote vor Ort zu fördern, die ein Zusammenleben in der Gemeinschaft und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtern. Dies können Räume und Veranstaltungen zur Begegnung und dem gegenseitigen Kennenlernen, Hilfe zum Erlernen der deutschen Sprache oder Unterstützung bei Behördengängen sein.

Offener Brief des Bürgermeisters

Nachdem der Landrat bekannt gab, dass auf dem kreiseigenen Grundstück in der Margaritenstraße 3 in Borgsdorf ab Februar 2016 eine Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 240 Flüchtlinge entstehen soll, erhielt Bürgermeister Klaus-Dieter Hartung zahlreiche Zuschriften betroffener Anwohner. Mit einem offenen Brief, der auf der Internetseite der Stadt nachzulesen ist, äußerte er Verständnis für die Sorgen der Anwohner, klärte über Zuständigkeiten und die Rolle der Stadt beim Auswahlprozess des Standortes auf und sicherte die Unterstützung der Stadtverwaltung bei der Gründung und Unterstützung von Willkommensinitiativen zu.

Der Nachteil der frühzeitigen Information durch den Landkreis bestehe darin, „dass zu diesem Zeitpunkt und auch bis heute noch nicht alle Eckdaten bis ins Detail feststehen“. Der Vorteil aber sei, „dass wir nun ein halbes Jahr Zeit haben, uns vorzubereiten“, so Hartung in dem Offenen Brief. Er verwies auch auf den letzten Hauptausschuss vor der Sommerpause Mitte Juli, zu dem ein Vertreter des Landkreises eingeladen sei, um über den aktuellen Sachstand zu informieren. Die offizielle Informationsveranstaltung des Landkreises, in der der Kreis nähere Aussagen zur Gestaltung des Standortes machen könne, sei für Mitte September geplant.

„Da kommt eine Herausforderung auf uns zu. Die bewältigen wir gemeinsam am besten – über die beste Lösung können und müssen wir sicher debattieren – jedoch nur über das WIE. Das OB steht außer Frage. Das ist für mich eine Frage von Ethik, Menschlichkeit, Verantwortung und Gerechtigkeit – auch und gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und unseres heutigen Lebensstandards“, macht Bürgermeister Hartung in dem Offenen Brief deutlich.

Anwohner im Hauptausschuss

Im Hauptausschuss am 14. Juli war mit Johannes Kühl der für Asylfragen zuständige, kommissarische Fachbereichsleiter Soziales des Landkreises zu Gast. Er beantwortete die Fragen der ca. 70 erschienenen Bürgerinnen und Bürger und gab aus erster Hand Informationen zur geplanten Asylunterkunft in Borgsdorf. Zunächst präsentierte Kühl Zahlen zur gegenwärtigen und prognostizierten Unterbringung Asylsuchender im Landkreis Oberhavel: So waren zum 30.6.2015 1.006 Asylbewerber in Oberhavel untergebracht, davon 795 in Gemeinschaftsunterkünften und 211 in Wohnungen. In Hohen Neuendorf sind derzeit 2 Asylbewerber in Wohnungen untergebracht. Legt man den „Hennigsdorfer Schlüssel“ von 3,22 Prozent Asylbewerbern pro Kommune zu Grunde, bedeutet das für Hohen Neuendorf, dass die drittgrößte Stadt des Landkreises nach derzeitigem Stand ca. 808 Asylbewerber in den nächsten Jahren aufnehmen müsste.

Die geplante Gemeinschaftsunterkunft in der Borgsdorfer Margeritenstraße würde Platz für 240 Flüchtlinge bieten. Wo genau die anderen Unterkünfte entstehen sollen, ist aktuell noch nicht bekannt.

Voraussetzungen für Standorte

Die Frage der Standorte gehörte im Hauptausschuss dann auch zu den meistdiskutierten. Die Stadt habe mit dem Landkreis mehrere mögliche Grundstücke besprochen, von denen jedes aber sein eigenes Problem habe, erklärte Bürgermeister Klaus-Dieter Hartung. Wesentliche Kriterien für die Auswahl seien die zeitnahe Verfügbarkeit der Grundstücke, die Eigentumsfrage, die Größe, die infrastrukturelle Erschließung, die baurechtlichen Voraussetzungen und die Kosten, erläuterte Bauamtsleiter Hans Michael Oleck.

Standort in Borgsdorf

Der Standort in Borgsdorf sei derjenige, den sich der Landkreis unter den genannten Kriterien als erstes ausgesucht habe. Weitere Standorte in anderen Stadtteilen würden folgen, die Entscheidung träfe aber letztendlich der Kreis. „Containerdörfer sind nicht unsere Absicht“, stellte Johannes Kühl klar. Auf Grund einer bundesrechtlichen Änderung des Baugesetzbuches im November 2014 bestehen bei der Errichtung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber Sonderregelungen hinsichtlich der Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans. Dennoch will der Landkreis die Unterkünfte unter Beachtung des Ortsbildes in ein Wohnungsbaukonzept vor Ort einbinden, und auch von den Bäumen würden nur so viele gefällt wie nötig, so Kühl. Dabei ließ der Fachbereichsleiter durchblicken, dass der Landkreis an dieser Stelle zusätzlich sozialen Wohnungsbau plane. „Diese Information ist so neu, dass Sie davon noch nichts wissen können.“

Herkunft und Zusammensetzung der Flüchtlinge

Die Frage nach der Herkunft und Zusammensetzung der Flüchtlinge konnte Kühl nur mit Hinweis auf Erfahrungswerte der letzten Monate beantworten. Hauptsächlich kommen die Flüchtlinge aus Syrien, Tschetschenien, Albanien, Eritrea und Kamerun. Zu 75 Prozent sind die Flüchtlinge Männer, drei Prozent sind Kinder im grundschulpflichtigen Alter, drei Prozent sind Jugendliche, die eine weiterführende Schule besuchen könnten. „Für den Standort Borgsdorf gibt es keinerlei Vorauswahl“, so Kühl.

Weitere Fragen

Da der Ausschuss unter Leitung von Matthias Rink Redebeiträge von anwesenden betroffenen Borgsdorfern erlaubte, nutzten diese die Gelegenheit, größtenteils sachlich ihre Fragen und Bedenken zu äußern. Themen waren die spärlichen Informationen, fehlende Einbindung der direkt Betroffenen vor Ort, die ungleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge innerhalb des Stadtgebiets (für Borgsdorf bedeuten 240 Flüchtlinge ca. 5,2 Prozent der Einwohner), die ungenügende infrastrukturelle Versorgung mit medizinischer Betreuung und Einkaufsmöglichkeiten, die mögliche Rodung des Kieferbaumbestandes auf dem Grundstück, die mögliche zunehmende Gewalt durch ausländerfeindliche Gewalttäter und die Freizeitgestaltung der Flüchtlinge.

Nicht auf alle Fragen konnte Johannes Kühl umfassend eingehen. Die Stadtverwaltung, die derzeit eine FAQ zum Thema erarbeitet, wird die von den Anwohnern gestellten Fragen in diese Übersicht der meistgestellten Fragen integrieren und bis spätestens Mitte September öffentlich bereitstellen. Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, ihre Fragen per Mail an asyl@hohen-neuendorf.de weiterhin an die Stadtverwaltung zu schicken.

Erste Willkommensinitiativen gestartet

Noch Ende Juni startete die Bürgerinitiative „bis2025“ eine Initiative „Willkommen in Hohen Neuendorf“. Über die Internetseite www.willkommen-hn.de bieten sie eine Plattform für alle engagierten Bürgerinnen und Bürger, „die sich für eine bunte und vielseitige Willkommenskultur in der Stadt einsetzen und mit konkreten Aktionen und Projekten den Geflüchteten helfen wollen“.

Eine weitere Willkommensinitiative unter Leitung von Susanne Mosch und Bernhard Fricke will sich am 2. September um 19:30 Uhr im Gemeinderaum der Evangelischen Kirche Borgsdorf, Bahnhofstraße 32 (Eingang über den Dornbuschweg), gründen. Interessenten können sich unter willkommen-in-borgsdorf@gmx.de melden.