Festgefahrene Diskussion um Müllabfuhr

Kein Kompromiss beim Streit zwischen Arbeitsschutz und Bürgerfreundlichkeit in Sicht

(15.11.2016)  Es führt kein Weg hinein – im wahrsten Sinne des Wortes. Beim zweiten Vor-Ort-Termin zwischen der Abfallwirtschafts-Union (AWU), der Berufsgenossenschaft Verkehr, dem Landkreis Oberhavel und der Stadtverwaltung stellte Christian Ecke, Aufsichtsperson der Berufsgenossenschaft, unumstößlich fest: "Wenn ich muss, erlasse ich eine Anordnung – hier wird nicht mehr befahren". Sämtliche Ansätze der Stadtverwaltung, im Sinne der Anwohner eine Lösung oder zumindest einen Kompromiss zu erzielen, waren damit gegenstandslos geworden.

Die von der Berufsgenossenschaft vorgeschlagene Lösung, am Beginn der Stichstraßen in der Puschkinallee einen Wendehammer zu bauen, damit die Bürger ihren Müll nicht bis zur 140 Meter entfernten Waldstraße bringen müssen, hält wiederum die Stadt in Relation zu Kosten, den nötigen Baumfällungen und einer Gefährdung der Schulwegsicherheit für keine geeignete Lösung.

Der Stein des Anstoßes

Ende August erhielten mehrere Anwohner der Puschkinallee von der AWU die Information, dass die Müllfahrzeuge nicht länger die Stichstraßen zwischen Waldstraße und Bahnbrücke befahren; die Anlieger müssten ihre Tonnen zukünftig an die Waldstraße bringen. Die AWU begründet dies mit der fehlenden Wendemöglichkeit für ihre dreiachsigen Müllfahrzeuge und einer baulichen Veränderung der Straße durch die Stadt, wodurch sich die nutzbare Straßenbreite verringert habe.

Rückwärtsfahren verboten

Die Unfallverhütungsvorschrift "Müllbeseitigung" der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung erlaubt ein Rückwärtsfahren von Müllfahrzeugen nur, "wenn eine geeignete Person den Fahrer einweist" (§ 7). Und das auch nur, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das gelte im Übrigen unabhängig von der Größe der Müllfahrzeuge, stellte Christian Ecke beim Vor-Ort-Termin klar. Da diese Vorschrift in den neuen Bundesländern erst seit März 1990 gilt, befuhr die AWU ältere Straßen aus Gründen eines Bestandsschutzes unter Inkaufnahme der damit verbundenen Risiken weiterhin rückwärts. Wird eine Straße jedoch ausgebaut, ist ihr Bestandsschutz verwirkt, argumentiert die AWU. Die Stadt müsse dann einen Wendehammer anlegen. Einen zweiten Mann auf dem Müllauto, der als Einweiser fungiert, lehnt die AWU aus Kostengründen ab. Allerdings hatte die Stadt die Straße erst auf Bitte der AWU befestigt.

Schlaglöcher beseitigt

In einem Schreiben hatte die AWU die Stadt 2013 gebeten, die Schlaglöcher in den vier Stichstraßen der Puschkinallee zu beseitigen, um diese weiter befahren zu können. "Um die Schlaglöcher zu beseitigen, haben wir hier 2015 eine Staubschutzdecke aufgebracht. Im Zuge der Verkehrssicherungspflicht wurden außerdem die vorhandenen Bordsteine reguliert sowie ein Geländer, das auch damals vorhanden war, aus Sicherheitsgründen neu aufgestellt", erläutert Elke Pigorsch vom Fachdienst Tiefbau im städtischen Bauamt. Ein Jahr lang befuhr die AWU nach Fertigstellung der Unterhaltungsmaßnahme die Straße weiter rückwärts, bevor sie im August 2016 die Anwohner über die geänderte Abfuhrmodalität informierte - ein Fahrer hatte sich an die Berufsgenossenschaft gewandt.

Lösungsansätze brauchen Einzelfallprüfung

Der Landkreis Oberhavel kennt die Probleme, die durch die vielen Bahntrassen nicht nur, aber ganz besonders in Hohen Neuendorf auftreten - 30 solcher Stichstraßen gibt es allein in der Stadt. Gegenwärtig erarbeitet der Kreis ein Kataster. Jede einzelne Straße muss individuell betrachtet werden, heißt es aus der Kreisverwaltung. Die Stadt schlägt vor, kleine Müll-Multicars einzusetzen, wie sie auch in den 400 Stichstraßen im Landkreis Potsdam-Mittelmark unterwegs sind. Aus Sicht von Oberhavel funktioniert diese Lösung aber nicht überall und würde sich in einer Gebührenerhöhung abbilden müssen. Der Kreistag hätte dann zu befinden, ob solche individuellen Kosten von den Anwohnern oder solidarisch über allgemeine Gebührenerhöhungen getragen werden sollten.

Für die Anwohner der Puschkinallee bedeutet das, dass sie vorerst weiterhin Restmüll, Papiertonnen und Gelbe Säcke bis zur Waldstraße bringen oder kostenpflichtig von Mitarbeitern der AWU abholen lassen müssen.